1.4. Körperliche Merkmale, Charakterzüge und Bedeutung bzgl. der Rasse bzw. unseres Hundes

Einleitung

Manche Hunde sind da. Dann gibt es Hunde, an die erinnert man sich, selbst, wenn es nicht die eigenen Hunde waren. Sie sind dann in bestimmten Bereichen mit ihren inneren Verhaltensweisen und ihrer Art, nach außen hin aufzutreten, ihre Aufgaben zu erfüllen oder (ihren) Menschen die Welt zu erklären, außergewöhnlich. Woran erinnern sich die Menschen dabei im allgemeinen? An die besondere Führigkeit und Angepasstheit dieses Hundes in die jeweilige Lebens- und Arbeitssituation des Besitzers – eben an die Konstitution des Hundes.

Die nachfolgenden Aspekte sollte man einmal gehört haben, wenn man sich einen Hund zulegen will.

Warum beschreibe ich die Eigenschaften so ausführlich?

Damit der Privatmann Kriterien kennt, nach denen er auch als kynologischer Laie einen Welpen, die Elterntiere oder einen erwachsenen Hund beurteilen und mit seinen eigenen Befindlichkeiten abgleichen kann: Könnte dieser Hund zu mir passen?

„Toll“, „süß“, soll schützen sind keine guten Kriterien. „Soll nicht mit den Kindern um deren Spielzeug kämpfen“ oder =>! es nervlich aushalten nachzugeben, sind vernünftige Anforderungen. Wer „nervlich aushalten“ im Pflichtenheft notiert hat, weiß auch etwas über Reizschwelle und Temperament.

Welche Eigenschaften der Hunde bringen einen seinem Ideal näher? Hunde vom Dackel bis zur Dogge haben die gleichen genetischen Grundlagen. Sie unterscheiden sich nur in den Schwerpunkten der jeweiligen Zuchtziele: hart / weich, groß / klein und der Feinausprägung der dafür erforderlichen Eigenschaften: führig, unabhängig, liebt suchen, muss hüten und treiben.

Welche Arten der Problemlösung des Hundes sprechen für oder gegen den Hund bzw. zwingen den Hundeführer zu permanenter Aufsicht des Hundes oder machen ihn erst zu einem guten Diensthund? Ausweichen oder kämpfen. Das Hauptproblem der heutigen Zeit für den Hund, dass er oft arbeitslos ist. Seine Eigenschaften hatten früher mal einen Sinn. Was wir heute beispielsweise als „nervend“ wahrnehmen, war früher einmal eine gewünschte Beharrlichkeit.

Die Konstitution

ist die Summe der körperlichen und seelischen Veranlagungen des Hundes und eines Menschen. Die einzelnen Aspekte sind einmal rassespezifisch gewichtet. Dann kommen sie natürlich immer mit Überschneidungen und unterschiedlichen Ausprägungen zum Tragen. Der Einfachheit aber diese deutliche Abgrenzung.

1. Körperliche Veranlagungen

Zur Erfüllung der Aufgaben muss man trainieren. Der Grundstock für den Erfolg sind aber die körperlichen, ererbten Voraussetzungen, um die Aufgabe überhaupt oder sogar überdurchschnittlich erfüllen zu können. Das Paradebeispiel ist hier Basketball: Im Profibereich braucht man mit 1,70 m Größe und 80 Kg Gewicht nicht antreten.

Optimaler Körperbau für eine bestimmte Arbeit. Der Körperbau und grundsätzliche Eigenschaften der Rassen leiteten sich in der Regel von den Aufgaben der Hunde ab. Groß genug, um dem Wolf beikommen zu können – die Herdenschutzhunde. Klein genug, um durch das Unterholz zu kommen, aber groß genug, um vom Hirsch ernst genommen zu werden oder Laufstrecken zurück legen zu können – die Stöberhunde. Schwer genug und kampffreudig genug, um Straftäter verhaften zu können – die Schutzhunde.

Der Körperbau der Familienhunde richtet sich eher nach persönlichen Vorlieben oder nach dem, was das Leben einem so Montag früh anliefert. Der Familienhund darf bei Kindern nicht zu groß sein. Seine Masse und Kraft kann wichtig dafür sein, ob er führbar ist oder auch dann bleibt, wenn es mit der Erziehung nicht ganz so geklappt hat, was dann ja nicht so tragisch ist. Ist der Hund mittelgroß, passt er immer ins Auto und Wohnmobil. Ein kurzhaariges Fell macht ihn pflegeleicht und hält den Dreck draußen.

Möchte man sehr aktiv sein mit seinem Hund, beispielsweise joggen und klettern, braucht man leichtere Hunde. Die massigen Bullmastiffs können auch laufen. Aber leichteren, schmaleren Hunden oder Hunden der Schäferhund- oder Dienst- und Gebrauchshunderassen liegt das mehr. Der Bullmastiff ist für entspannte, ausgedehnte Spaziergänge gut geeignet. Wobei die schwere Dogge auch schnell und ausdauernd hetzen und auch Rehe erlegen kann.

Die Arbeit als Dienst – oder Jagdhund ist hier nicht das Thema. Deshalb gehe ich nicht weiter darauf ein. Die Diensthunderassen sind von ihrem Körperbau gute Allrounder. Man muss sich aber bewusst sein, dass die Hunde für die Familie nicht zu schwer sein sollten. Ich erinnere immer an die Schönheit, deren Rotweiler-Büffel schwerer ist als sie selbst. Wenn der nun nicht gehorcht…

Jagdhunde sind ausdauernde, agile Begleiter. Nur sind kleine Bracken und Terrier mit kurzen Läufen nicht unbedingt für das Distanzwandern geeignet. Bracken zum Stöbern laufen zwar viel, aber dann auf einer begrenzten Fläche zum Absuchen und dann mal schneller, langsamer – je nach den Erfordernissen. Die Fährte eines angeschossenen Rehs zu verfolgen geht vllt. über 2 Km, dann ist die Strecke schon lang. Das ist auch das Metier dieser Hunde. Die Terrier müssen in den Bau passen und sind dafür gedacht, also auch nicht unbedingt Hunde für ausgedehnte Wanderungen. Andererseits sind sie mit weniger Auslauf und etwas Sucharbeit hervorragend zufrieden zu stellen. Retriever und Labrador: Dies sind hervorragende Hunde für die Familie. Sie haben ein gutes Gewicht, passen in das Auto und nehmen nicht viel Platz in der Wohnung ein. Außer dem Weimeraner sind die anderen großen Jagdhunde wie der Deutsch Drahthaar eher in Jägerhand. Vielleicht sollte das so bleiben.

Körperliche Voraussetzungen zur Sinnestüchtigkeit wie sehen, hören, Geschmackswahrnehmung, die Orientierung im Raum, Auge-Pfoten-Koordination und Geschicklichkeit sind wichtig, hier aber kein Thema.

2. Körperbau

An sich leichte Hunde wie ein Spitz sind im Folgenden nicht gemeint. Wobei der klapperdürre Spitz auch ein nervliches Wrack sein dürfte.

Innerhalb einer Rasse gibt es verschiedene Ausprägungen der Temperamente und sonstigen Anlagen. Ist aber innerhalb einer Rasse ein Hund auffallend schlank und leicht im Gegensatz zu den anderen Rassevertretern, dann ist dies nach meiner Erfahrung ein Indiz für ständige innere Unruhe, Scheu und eine Anfälligkeit für Stress bzw. eine ungenügende Härte im Sinne von Robustheit gegenüber Umwelteinflüssen. Es kann sein, dass der Hund bisher schlecht geführt wurde. Das kann man reparieren. Es bleibt aber der Hang zu Furcht, Angst, Fluchtbereitschaft. Die Tendenz ist, sich Anforderungen durch Passivität zu entziehen (Sterbenummer). Kommt hier etwas „Schärfe“ hinzu, das heißt, der Hund ist bereit, (in der Not) zu beißen, wird es problematisch. Diese Hunde bedeuten Aufwand und können das Familienleben erheblich beeinträchtigen. Nun wird man einwenden, dass man sich auch um diese Tiere kümmern muss. Der Einwand ist nicht unberechtigt. Man muss schauen, ob man neben den sonstigen täglichen Baustellen noch Zeit und Geld für eine neue (Vollzeit-) Baustelle hat. Dazu soll man darüber nachdenken, ob dem Hund, welcher nur Unruhe in seinem Kopf hat, wirklich geholfen wird, wenn er nun (über einen langen Zeitraum hinweg) lernen soll, seine Furcht vor allem zu verlieren.

Auffallend schwer oder wuchtig im Gegensatz zu anderen Rassevertretern, beinhaltet immer die Möglichkeit zu einerseits einer gewissen Behäbigkeit. Das ist manchmal sogar gut für den Besitzer. Andererseits ist so ein latent phlegmatischer Hund schwerer zu motivieren. Dazu kommt, dass gesundheitliche Probleme möglich werden, da die Aktivitäten des Hundes den Bewegungsapparat des Hundes überfordern. Allerdings ist „auffallend schwer“ oft nur fett. Das kann man ändern.

3. Charakter

Ein ausreichendes oder angemessenes Reaktionstempo: Das jeweilige Temperament bestimmt wesentlich darüber, wie ein Individuum auf Umwelteinflüsse und -reize sowie auf (gestellte) Anforderungen reagiert. Das Temperament wird wesentlich durch das endokrine, also nach innen wirkende Drüsensystem mit den von dort bereitgestellten Hormongemischen bestimmt.

Für den Familienhund und alle Arbeitshunde bedeutet das, dass sie einerseits stabil sein müssen = reaktionsträge, um Belastungen standzuhalten, aber andererseits schnell genug motivierbar (führig) sein müssen, um Anforderungen zeitnah im gewünschten Umfang zu erledigen. Dass sind die Sanguiniker und Phlegmatiker, die stoisch arbeiten.

Mir erscheint es so, dass kleinere Lebewesen reaktionsfreudiger sein müssen, da sie viel den Großkopferten ausweichen müssen. Diese Hunde regen sich schnell auf, aber auch wieder schnell ab. Diese ausweichenden Hunde wissen auch Ruhe zu schätzen. Die Mitte der Hundepopulation verhält sich so, wie die Situation es erfordert. Die großen Hunde stehen wegen ihrer Masse und Kraft am oberen Ende der Nahrungskette. Sie können sehr wohl schnell sein. Aber die Masse will erst einmal in Bewegung gebracht werden. Kein Besitzer will sich mit einem 60 – Kg Hund rumschlagen. Schon eine Batterie kleiner wütender Zähne tut ausreichend weh. So wird also tendenziell eine gewisse Gemütlichkeit im Charakter schwerer Hunde zu finden sein. Man muss wissen: Regt sich ein tendenziell phlegmatischer Hund auf, was lange braucht, um dahin zu kommen, wird er sehr lange brauchen, um wieder zur Ruhe zu kommen. Dann kann seine Masse für den Besitzer ein Problem werden.

Das Reaktionstempo überschneidet sich mit den seelischen Veranlagungen. Deshalb wird alles weitere dort abgehandelt werden.

3. Ausdauer

Ausdauer: ist das Ergebnis der körperlichen Veranlagungen und von Training. Der Hund ist in der Lage, kontinuierlich auf Umweltreize zu reagieren und seine Arbeit zu machen. Der Familienhund begleitet die Familie, der Schäferhund den Schäfer, der Diensthund seinen Hundeführer und der Jagdhund den Jäger so lange, wie der Tag halt dauert.

4. Seelische Veranlagungen:

Die Gesamtheit der seelischen Anlagen eines Hundes soll die Erziehung und Formung durch den Besitzer, die Umwelteinflüsse und allgemein das Kommende aushalten. Das Ergebnis ist dann emotionale Stabilität bei der jeweiligen Arbeit.

Das beste Beispiel ist der Polizeihund. Bei einem Einsatz zum Fußballspiel mit Hooligans soll er grundsätzlich unbeeindruckt und entspannt sein und sich neutral zur Umwelt verhalten. Bei Bedarf soll er dann rücksichtslos gegen den Block vorgehen, ohne dabei Rücksicht auf sich selbst zu nehmen.

Beispiel Familienhund: Er lebt vielleicht in turbulenten Verhältnissen, hat viel Action oder auch nicht, einen ungeregelten Tagesablauf und ist nicht ausgelastet. Trotzdem soll dieser Hund gutartig und keine Gefahr für seine Umwelt sein (wenn er nicht gehorcht). Der Familienhund muss mit langer Weile zurechtkommen.

Wichtig ist immer, die Übersicht und Ruhe unter Druck, bei der Arbeit oder dem zuhaben, was einem das Leben so vor die Füße wirft. Wir wollen Ruhe und Ausgeglichenheit. Choleriker sind sicher gut, um mal überraschend die Tür zu öffnen. Phlegmatiker sind gut wegen ihres bedächtigen, gewissenhaften und genauen Handelns. Melancholiker bremsen. Sanguiniker sind die Mitte, machen aber auch mal Sorgen.

Was hat also Einfluss auf

  • unseren Traumhund als Familienhund außer seine Größe und Kraft wegen der Führbarkeit?
  • die anderen Arbeitshunde, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können? Diese Eigenschaften muss man einpreisen, wenn man sich einen Rassehund aus diesem Bereich halten möchte.

4.1. Das Temperament

Darin zeigt sich die psychische Beweglichkeit und Reaktionsintensität auf Umweltreize. Ein temperamentvoller Hund reagiert lebhaft und intensiv auf einwirkende Umweltreize und ist dabei flexibel in seinen Reaktionen. Fällt ein Blatt vom Baum, bellt der temperamentvolle Riesenschnauzer. Der temperamentarme Hund ist interessenlos und träge in seiner Reaktion auf Umweltreize. Er sowie unsichere, nervöse, ängstliche, furchtsame, schreckhafte Hunde sind zunehmend unflexibel in ihrer Reaktion auf Umwelteinflüsse. Das trifft auch auf ausgeglichene, aber gleichgültige, weiche oder niedergedrückte Hunde zu. Sie sind zunehmend geistig unbeweglich. Das Reaktionsmuster beschränkt sich zunehmend auf vermeiden von Stressoren durch Flucht oder „ignorieren“. Neugier und damit die Lernfähigkeit sind mangelhaft ausgeprägt. Der Versuch der Motivation läuft zunehmend ins Leere. Es werden also zunehmend Zwänge (negative Verstärkung) nötig sein, um Verhaltensänderungen zu bewirken.

4.2. Die Ausdauer

Das ist die Fähigkeit, Handlungen wie z.B. die Fährtenarbeit des Diensthundes oder den Agility Parcours zu Ende zu bringen, ohne sich ablenken zu lassen und schnell müde zu werden. Körperliche und psychische Anstrengungen wie beispielsweise die Ausbildung (auf dem Hundeplatz) oder das lange Begleiten der Familie steht der Hund durch, ohne schnell zu ermüden. Der Hund ist bereit und fähig, sich zum Erreichen eines Zieles ausdauernd anzustrengen. Das ist Bestandteil der Härte.

4.3. Die Härte

„Härte“ ist viel mehr als nur Nervenstärke. Härte meint die Fähigkeit, unangenehme, im Diensthundebereich sagt man unlustbetonte, Einwirkungen von Umwelt, den Kindern der Familie und des Hundeführers hinzunehmen, ohne sich nachhaltig davon beeindrucken zu lassen und ohne sich lange gedanklich damit aufzuhalten. Der Hund vergisst das Unangenehme einfach. Der harte Hund erträgt Schmerzen und toleriert versehentlich durch den Hundeführer herbeigeführte negative Erfahrungen in der Ausbildung.

Harte Hunde können sehr autark sein, wenn sie keine angemessene Führung finden. Um den Hund gut ausbilden zu können, braucht es auch Weichheit.

4.4. Die Weichheit

Sie ist das Gegenteil zur Härte. Der Hund lässt sich hier von den als unangenehm empfundenen Erfahrungen und Einwirkungen von außen sehr wohl beeindrucken. Im Kopf weiche Hunde können körperlich eine extreme Härte an den Tag legen – siehe die Terrier.

Der weiche Hund arbeitet für Belohnungen und ist bestrebt, unangenehmes wie beispielsweise schimpfen zu vermeiden. Das „Weiche“ ist wichtig, um unseren Hund bei der Ausbildung motivieren und führen zu können.

4.4. Die Führigkeit

Hierunter versteht man die Bereitschaft des Hundes, sich von seinen Menschen leiten zu lassen und dessen Wünsche zu erfüllen.

Auch sehr harte Hunde können sehr führig sein. Der Gehorsam ist die Folge von Führigkeit. Führige Hunde sind für normale Menschen ohne große Vorkenntnisse zum Thema Hund führbar.

4.6. Das Meuteverhalten

Hunde, die geführt werden wollen, sind bereit, sich in ein Rudel zu integrieren. Sie suchen ihren Platz. Wenn sie ihn gefunden haben, sind sie zufrieden, da die Welt für sie nun vorhersehbar geworden ist.

Das Meuteverhalten dokumentiert die Beziehung zwischen Hund und Hundebesitzer. Man erfährt auch viel über den Hund selbst, wenn man ihn ansieht, wie er mit seinem Hundeführer umgeht: Der Welpe läuft herum, wird müde und geht zu seinem Hundeführer. Wenn man auf dem Boden sitzt, klettert er auf den Schoss und schläft. Andere Welpen muss man dazu anhalten. Manche Hunde schlafen, brauchen aber Abstand, sie ziehen sich zurück. Andere wieder setzen sich neben ihren Hundeführer und dann gucken beide in den Nachthimmel hinein oder lassen den Blick über das Tal schweifen. Manche Hunde kann man dabei streicheln, manche fasst man nicht an, weil beide Parteien in sich ruhen, sich ihrer selbst sicher und zufrieden sind. Manche Hunde legen sich neben einen, lehnen sich an, holen tief Luft, atmen aus und schlafen. Das ist Verhaltenssynchronisation. Wenn man sich hinlegt, legen die Hunde sich hin. Wird man wach und denkt, ohne sich zu dabei zu bewegen, jetzt könnte man aufstehen, fängt der Hund an, sich zu strecken. Der erfahrene Hund bleibt natürlich liegen, wenn der Alte aufsteht und sich für die Arbeit fertig macht.

Ist man in seinem Wohngebiet, fühlt sich der Hund sicher und turnt voraus, macht Unfug. Ist man in der Fremde und der Hund bleibt diesmal nicht in der Nähe des Hundeführers, um mit ihm erst einmal die Lage zu sondieren, sondern läuft einfach ohne ihn los, hat man ein Problem.

Weich, führig und anlehnungsbedürftig bedeutet übrigens nicht wehleidig.

5. Die Art der Problemlösung durch den Hund

Das, was bisher zu den seelischen Anlagen geschrieben wurde, ist ein Grundgerüst zur Beurteilung dazu, wie „ein Hund ist“. Wenn man die Mitte der bisherigen Verhaltensbereiche wählt, ist man immer richtig. Auf Grund der Zucht von Hunden zu verschiedenen Zwecken sollte man die folgenden Eigenschaften schon einmal gehört haben, bevor man sich als 70-jähriger von einem Hollandse Herder – Züchter einen solchen überhelfen lässt.

5.1. Die Schärfe

Ein scharfer Hund reagiert auf unvorhergesehenes, fremdes und für ihn bedrohlich wirkendes mit aggressivem Verhalten, offener Aggression oder mit einem Angriff. Er stellt sich wirklichen oder scheinbaren Gefahren, obwohl er hätte fliehen können. Schärfe meint also nicht den Mut der Verzweiflung, wenn ein Tier in die Ecke gedrängt wird und es nicht mehr weglaufen kann.

Ein gewisser Grad an Schärfe ist naturgegeben wie beispielsweise bei Jagdterriern. Stehen sie dem Dachs in seinem Bau gegenüber, geht es nur noch nach vorn, obwohl sie oft nicht mit dem Leben davon kommen werden. .Diese Grundeinstellung und Lernerfahrungen können dazu führen, dass ein guter Terrier gestellten Anforderungen, die ihm nicht ins Konzept passen, mit Aggression begegnet. Wenn dann noch Härte dazu kommt, hat man den Kopf voll.

Das Herz eines Hundes erkennt man, wenn er etwas wirklich nicht will.

Schärfe kann bei einem Hund gefördert werden, so dass er auf unvermutete Reize feindlich reagiert. Dass passiert manchmal aus versehen. Bei guten Hunden, die nervlich dazu in der Lage sind, sich Gefahren zu stellen, ohne dazu gezwungen worden zu sein, kann von kundiger Hand die Schärfe auf jedes gewünschte Maß eingestellt werden.

Ein furchtsamer Hund mit ausgeprägter und durch falsches Verständnis des Besitzers geförderter Schärfe ist ständig im Kampfmodus. Aggression ist seine Lösung für Frustration oder Überlastung durch Anforderungen. Das ist eine Katastrophe. Nimmt das Phlegma zu, schwindet die Schärfe.

Schärfe findet man im Wesentlichen bei Jagd- sowie Dienst- und Gebrauchshunderassen, die Lebendes fangen sollen und deren Mixen. Bei den Schutzhunderassen gibt es Hunde, die von Haus aus eine hohe Aggressionsbereitschaft mitbringen. Für sie sind unvorhergesehenes und Widerstand kein Problem, sondern der Weg oder eine Einladung zum Dampf ablassen. Solche Hundetypen sind die Hooligans unter den Hunden. Sie sind nicht immer einfach zu führen und perfekte Diensthunde für u.a. die Polizei.

Dieses Buch beschäftigt sich vordergründig mit den Familienhunden. Es gibt bei Problemen mit Dienst-und Gebrauchshunderassen in privater Hand, zunehmend auch in den Behörden, folgendes Grundproblem: Die Leute wissen nicht, was sie für einen Hund bekommen können:

1. Was ihr Hund alles lernen kann, was man ihm getrost verbieten kann, was man deshalb von ihm verlangen kann und wie er deshalb sein kann – so, dass keine Probleme entstehen und alle glücklich sind.

2. Laien, aber auch Diensthundeführer, können sich nicht vorstellen, was ein „scharfer“ Hund ist und haben die Therapievorschläge für „böse gucken“ aus dem Fernsehen im Hinterkopf. Ich mache mich hier nicht lustig. Man kann nur wissen, was man weiß. Ich sage nicht, dass sogenannte scharfe Hunde alles in ihrem Umkreis erlegen (gibt es), aber das aggressive Vorgehen in bestimmten Situationen, beispielsweise nur, wenn Besuch kommt oder der Hund frustriert ist, weil der Besitzer von seinem Hund etwas verlangt, der Hund aber nichts kann, da die Anforderungen sonst nicht hoch sind und er diesmal nicht alles darf, ist ausreichend, das Leben zur Hölle zu machen und den Streit mit der Ehefrau am Kochen zu halten.

Das größte Problem ist dann, dass die Leute sich im Problemfall weigern, mit der Brechstange die Tür wieder zu öffnen. Warum? Weil es nicht ihrer Mentalität entspricht. Diesem Typ Hund muss man mental gewachsen sein.

Ich will keine Angst vor der „Schärfe“ machen. Schärfe ist gut und rundet einen guten Charakter ab, schließlich gibt es immer „rote Linien“. Es gibt sagenhaft viele Schäferhunde, Malinois, Rottweiler, Jagdterrier usw., die eine absolute Bereicherung für die Familie und manchmal im Hauptberuf noch Diensthund sind. Es gibt aber auch viele Hunde, die im Zwinger leben müssen. Ich selbst hatte einen Mali, der im Zwinger war, wenn die Kinder allein draußen waren. Am Zwinger hing ein Vorhängeschloss.

Kreuzt man lustige Labbradore mit süßen Schäferhunden, kann der Labbimix Schärfe zeigen.

5.2. Der Kampftrieb *,**

Das bedeutet, dass der Hund Freude am Gebrauch seiner Kiefer, Zähne und Muskeln hat. Verkürzt: er rauft gern.

Hunde, die gezüchtet wurden, sich Gefahren zu stellen, werden einer Rauferei mehr oder weniger aufgeschlossen gegenüberstehen, jedenfalls kein Problem damit haben. Denn wenn der Jagdhund nicht mit dem Fuchs nicht raufen wollte, würde er nicht freiwillig in den Bau gehen. Der Polizeihund würde nicht in den Block marschieren.

Kein Kampftrieb im hier beschriebenen Sinne ist es, wenn Welpen wie beispielsweise ein Labrador in die Hände der Besitzer beißen. Die Zähne sind die Hände der Hunde, die sie zum Spiel benutzen und mit denen sie spielend die Welt begreifen. Die Feinjustierung bedarf der Übung. Es ist natürlich möglich, dass der eine oder andere Welpe recht rücksichtslos ist. Dann sollte man das dem Burschen mitteilen.

*Der Begriff „Trieb“ ist obsolet. Es heißt modern „Motivation“. Ich verwende trotzdem den Begriff „Kampftrieb“, weil er sehr gut beschreibt, was ich meine.

** Mein erster Malinois kam zu mir, als er 10 Wochen alt war. Ich hatte gelesen, dass man den „Meutentrieb“, also die Bereitschaft des Hundes seinem Besitzer zu folgen, trainieren kann, indem man wartet, bis der Welpe sich etwas entfernt hat und dann schnell wegläuft, um Distanz zwischen sich und den Welpen zu bringen. Der Welpe soll so zu mehr Aufmerksamkeit und zum Folgen animiert werden, weil er sich fürchtet, allein zu bleiben.

Das habe ich gemacht. Der Welpe taperte vor sich hin und ich lief weg. Beim Weglaufen sah ich mich kurz um – der Zwerg kam im Galopp angeflogen. Ich guckte nach vorn, ob ich vielleicht noch abbiegen und mich hinter einer Hecke verstecken kann, als sich alle Zähne ohne Rücksicht auf Verluste in meine Wade gruben. Als ich wegen dem überraschenden Schmerz zuckte, legte der Kleine noch eine Schippe nach und drückte die kleinen, höllisch spitzen Beißer bis zum Anschlag durch den dünnen Stoff der Hose hindurch in die Wade.

Das gleiche „Experiment“ habe ich mit meinem Staffordshire Terrier gemacht. Das Ergebnis war ein Hund, der angerannt kam und sich freute, wieder da zu sein. Der gleiche Hund raufte aber auch ausdauernd und hart. Das kam aber aus der Spiellaune heraus.

Last, but not least: Ich habe hier einen Schäferhund, der im Ruhemodus zwar gern kurz rauft, aber es ist immer so, dass er dann zügig doch nur noch „rumliegt“ und die Ohren gekrabbelt haben will. Ist er aufgeregter, wird das Raufen ruppiger. Das gefällt ihm nicht so. Er will wieder in den Kuschelmodus. Aber: Ohne raufen zu üben, ist er aus der Ruhe sofort zu 100 % bereit, sich sehr ernst, zielgerichtet und wirksam gegen einen Störer zu wenden*. Also ist Raufspiele zu vermeiden auch keine Lösung. Im entsprechenden Hund ist alles da. Man muss sich damit auseinandersetzen.

5.3. Der Spieltrieb

Spieltrieb und Kampftrieb hängen offenbar zusammen, weil spielen Spaß macht, Spielen zielorientiert ist und auf das (Jagd-) Leben vorbereitet, also alle inneren Verhaltensbereitschaften des Hundes anspricht. Das Interesse an Bewegungen, fangen, haben, ziehen, schieben, das Körperliche steht im Vordergrund. Es geht auch um Konkurrenzen, Positionsbestimmungen. Die Berührungen sind extrem wichtige Signale und Wohlfühlfaktoren, mit denen man anregt oder abregt, beschwichtigt, animiert, lockt und bremst – ohne sprechen zu müssen. Vergleicht mal das Spiel von Kindern und auch jungen Erwachsenen, die sich mögen.

Das System Hund ist darauf ausgelegt, bestimmte Verhaltensweisen in geordneten Abfolgen zu zeigen. Das führt dann zu Wohlbefinden, weil Spannungszustände entspannt werden.

Gleichzeitig ist Spielen zielfrei. Es entlastet den Hund mental. Wenn er beispielsweise den Ball besitzt, ihn durch die Gegend kullert oder ihn durchkaut, führt er die Endhandlung des Jagens durch. Die Beute ist nach körperlicher Anstrengung gesichert. Das führt über entsprechende Hormonausschüttungen zu Wohlbefinden. Das Kauen selbst dient ebenfalls dem körperlichen Spannungsabbau.

Manchmal kommt ein junger Hund zu einem, legt sich hin oder meist in eine Ecke des Raumes und ist am Spielen nicht interessiert. Zum einen denkt man, einen pflegeleichten Hund zu haben. Andererseits: Wenn Hunde nicht „kämpfen“, also spielen wollen, kommt es zu keinen Berührungen. Der Hund meidet Nähe! Man wird sehen, wohin sich das entwickelt.

Es gibt auch für diese Hunde das berührungslose Spielen, wenn sie sich jagen und es beispielsweise um den Besitz des Balles geht. Hier spielen aber schon andere Motivationen hinein (soziale Beutekonkurrenz, das haben wollen). Und: Wenn man zusammen läuft und jagt, dann spielt und kämpft man zusammen. Eine andere Qualität aber hat es, wenn der Kampf in den „Infight“ übergeht. Man berührt sich, schiebt und das ganze Gebiss ist zu sehen. Das Spiel wird stationär, es wird weniger gerannt. Die Distanzen verringern sich, sie „säbeln“ gemütlich vor sich hin. Diese Hunde gehören zusammen, sie sind ein Rudel, sie suchen und mögen sich und die Nähe.

Der Hund im obigen ersten Beispiel war immer leicht fuchtig, durch Bewegung leicht erregbar. Die angeborene Schärfe beeinflusst die Art des Kämpfens auch. Bei ihm bekannten Hunden war er entspannt, gegenüber Hunden aus dem Rudel sehr geduldig. Als er älter wurde, hat er nicht mehr gespielt im Sinne von raufen. Gab es Probleme mit fremden Hunden, war dieZündschnur sehr kurz.

Der zweite Hund war absolut gutmütig und trotzdem furchtlos. Bei Belastung kann er anfangs dazu neigen, einfach einen Schritt zur Seite zu gehen, damit war das Problem gelöst. Später, wenn er groß ist, wird er wahrscheinlich immer eine ernste Komponente bei der Auseinandersetzung haben (Gefahrenbewusstsein).

5.4. Beuteverhalten

Hier geht es darum, mit welcher Intensität der Hund auf Bewegungsreize reagiert und mit welcher Intensität er etwas haben will – beispielsweise den Ball.

Aggressivität im Wollen, den Ball zu haben, richtet sich nicht gegen Menschen als solche. Etwas bekommen zu wollen, dass sich nicht mal mehr bewegt, so wie ein versteckter Sprengstoff als Schalter für die Belieferung mit seinem Ball, ist die Voraussetzung für gute Spürhunde. Man nannte das früher „Trieb auf tote Beute“.

Das Verlangen, seine Beute haben zu wollen, öffnet die Tore zum Lernen bzw. den Hund lernen zu lassen, was er können soll. Gehorsam und Unterordnung nicht nur im Hundesport sind nur modifiziertes Jagdverhalten. Der Hund jagt nicht mehr den Hasen, sondern den Ball. Die Strategie, die den Jagderfolg bringt, also funktioniert, wird immer öfter angewandt. Das, was nicht funktioniert, wird immer seltener gezeigt werden.

Das Verlangen nach einer Beute, die man sucht, aufspürt, hetzt, fängt und letztlich besitzt, unter Kontrolle zu haben, unterliegt der Ermüdung. Einmal, dass das Rennen selbst immer schwerer fällt (aktionsspezifische Ermüdung) und dann, dass das Verlangen abnimmt, wenn man quasi satt ist (reizspezifische Ermüdung).

5.5. Wehrverhalten*

Beim sogenannten Wehrverhalten geht es darum, dass der Hund seine physische und / oder psychische Unversehrtheit bedroht sieht. Dagegen setzt er sich zur Wehr mit aggressivem Verhalten bis hin zum Beißen. Dieses Verhalten unterliegt keiner reiz- und aktionsspezifischen Ermüdung und ist immer abrufbar.

Für einen Diensthund ist das eigentlich sehr wichtig. Für andere ist das im Grunde eine Katastrophe. Dabei rundet Wehrverhalten einen guten Hund ab und hat nichts mit asozial zu tun. Mein Lieblingsbeispiel ist dieses: Deine Tochter geht mit ihrem Freund spazieren und trifft auf drei Personen, die ihnen böses wollen. Mit der Übergabe des Handys ist es nicht getan.

Um den Hund in solchen Situationen, in denen er „Wehrverhalten“ zeigt, führen zu können, muss der Hund seinen Besitzer ernst nehmen und folgen. „Es ist gut Dicker, es reicht! Komm jetzt mit!“ Ist der Hund allein in einem solchen Konflikt, kann er den Gegner eigentlich nur wieder loslassen, wenn von diesem keine Gefahr mehr ausgeht. Das muss der Hundeführer dem Hund glaubhaft versichern können, denn der Hund muss wieder aus dem Gefahrenabwehr- und Verteidigungsmodus raus.

5.6. Der Mut

Mut ist etwas, was das Leben mit dem Hund angenehm macht.

Furcht ist existentiell, sie bewahrt vor Problemen und üblen Folgen.
Mut nimmt die Furcht in sich auf, damit es trotzdem
vorwärts geht.

Der Hund begibt sich, manchmal allein, weil er etwas will und manchmal nur dadurch, weil er uns folgt und wir es so wollen, in unklare, nicht bis zum Ende absehbare Situationen. Es gibt Unsicherheiten bzgl. des Ausgangs der Unternehmung. Beispielsweise sind die Untergründe beim Klettern unbekannt und es besteht eine gewisse Gefahr für die eigene Unversehrtheit, wenn der Hund abstürzt. Oder der Verkehr beeindruckt den Hund. Trotzdem folgt er uns. Der Preis reicht von einfachem zur Ruhe kommen – der Hund folgte uns durch den Verkehr in den ruhigen Park – bis zum Steak oben auf dem Küchenschrank.

Der Mut hegt die Furcht ein. Furcht ist wichtig als Korrektiv vor zu viel Übermut (Furcht hemmt). Überwiegt die Furcht, kann sich der Hund nur in die Neurose flüchten. Die Neurose ist die Vermeidung des Seins.

Der Mut hält den Hund handlungsfähig. Ein Mensch würde sagen: „Mag sein, das ist nicht ganz ungefährlich, ich kann mir weh tun, etwas verlieren, aber ich mach das jetzt.“ Nur so geht es nach vorn. Ist der Hund mutig, also bereit, etwas zu wagen, kann man ihn alles lehren und alles mit ihm machen – es stehen einem alle Wege offen, ganz gleich, ob Dackel oder Dogge.

Beitrag erstellt 20

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ähnliche Beiträge

Beginne damit, deinen Suchbegriff oben einzugeben und drücke Enter für die Suche. Drücke ESC, um abzubrechen.

Zurück nach oben